Wir Konsumkinder Podcast: Staffel 1 | Folge 2: Unsere Jugend

Damit Du einen Eindruck bekommst, in welche Verhältnisse Carsten und ich hineingeboren wurden, wie wir aufgewachsen sind und unsere Zeit verbrachten, bis Carsten und ich uns kennenlernten, erzählen wir Dir in dieser, der vorangegangenen und den kommenden zwei Folgen die Vorgeschichte zu unserer gemeinsamen Geschichte.

In dieser Folge erzählen wir Dir von unserer Jugend. Natürlich immer mit dem Fokus auf Finanzen, Geld und Konsum.

Vollständiges Transkript der Folge

Carsten Hey, hier sind Carsten

Stefanie und Stefanie

Carsten und wir erzählen dir in diesem Podcast unsere Geschichte,

Stefanie wie wir von unmündigen Konsumkindern zu mündigen Bürger·innen wurden. Das ist Staffel eins, Folge zwei unsere Jugend.

Carsten Ich bin jetzt mal großzügig, was den Beginn meiner Jugend betrifft und lege ihn mal auf mein zehntes Lebensjahr. Ja, ich weiß, vielleicht doch etwas arg früh, aber es war das Alter, in dem ich meinen ersten Computer kaufen konnte. Genau weiß ich es nicht mehr, aber ich bin mir ziemlich sicher, ihn aus meinem eigenen Ersparten gekauft zu haben. Ein Amstrad CPC646. mit eingebauter Datasette und einem Grünmonitor.

Es muss dann so 2 Jahre später gewesen sein, als ich den CPC646 verkaufte und mir von dem Geld und etwas zusätzlich Erspartem meinen ersten, wenn auch gebrauchten, Commodore C64 kaufte. Nein, nicht den urigen im Brotkasten-Design, sondern die moderne Variante. Mit externem Commodore Farbmonitor und Floppy! Und, mann war ich stolz, als ich etwas später auch das damals heiß begehrte Action Replay Cartridge besaß!

Ja, ich kam schnell zur Computerrei. Musste mir dieses Hobby allerdings durch Eigengespartes selbst leisten. Bis auf den Commodore Nadeldrucker. Der wurde mir mal einfach zwischendurch von meinem Onkel geschenkt. Noch ein Moment, an dem ich Stolz wie Oskar war. Du glaubst gar nicht, wie viele Seiten Endlospapier zum Ausdrucken von Basic-Programmen draufgegangen ist... Das Alles hatte ich anfangs vom Taschengeld, Weihnachtsgeld oder Geld zu Geburtstagen bezahlt. Es war nicht viel, was ich mir damit leisten konnte, reichte aber immer. Spiele wurde - seien wir doch ehrlich - eh im Freundeskreis getauscht. Und das nicht zu wenig.

Als ich dann 14 Jahre alt wurde, war es dann soweit: Ich durfte meinen ersten Ferienjob annehmen. Endlich Geld im großen Maßstab verdienen. Ferienjobsuche bedeutete damals noch mit Fahrrad die Firmen abklappern und fragen, ob die einen Ferienjob haben. In der örtlichen Putenzerlegerei wurde ich dann fündig. Zwei Wochen habe ich für einen Hungerlohn geschuftet. Durfte den Fleischwolf bedienen, Kästen säubern, die Halle fegen. Nicht selten von morgens 7 bis abends 19 Uhr. Trotzdem, ich hatte meine erste größere Summe Geld verdient.

Leider habe ich keine Ahnung mehr, was ich mir von dem Geld gekauft habe. Wahrscheinlich habe ich einiges in meine Angelausrüstung gesteckt. Schließlich war ich seit meinem 10. Lebensjahr nicht nur stolzer Computerbesitzer, sondern auch Inhaber eines Angelscheins; auch wenn ich und drei weitere damalige Freunde in demAlter noch nicht alleine Angeln gehen durften.

Zumindest war der Ferienjob der Startschuss zur finanziellen Souveränität. Ein Jahr später verbrachte ich meine Sommerferien exakt ein Firmengrundstück weiter. Diesmal in einer Eiersortiererei. Ein deutlich besserer Stundenlohn und volle 6 Arbeitswochen machten den Weg frei für meinen ersten PC. Ein 486'er DX2-66 mit 4 MB RAM. Aber ohne CD-Laufwerk. Dafür aber schon mit 15" Monitor. Mangels Computerladen im eigenen Ort, fuhr mich meine Mutter extra nach Osnabrück zum Vobis-Laden.

Seitdem hatte ich immer mal wieder die Möglichkeiten mir mein eigenes Taschengeld zu verdienen. Sei es in einer Druckerei im Nachbarort, die einen Schüler mit Computererfahrung suchten, der nachmittags Abfahrtpläne für Bustouren abtippte (was mir meine erste Berührung mit Apple Macintosh-Rechnern bescherte) oder später gemeinsam mit einem Freund als LKW-Wäscher beim BoFrost-Tiefkühllieferservice. Die LKW wurden damals noch per Hand gewaschen. 5 DM pro LKW. Da wir zu zweit waren und deshalb einen entsprechenden Durchsatz erzielten, konnten wir mit 1-2 Nachmittagen pro Woche unsere Finanzen merklich aufstocken. Im Sommer investierten wir dann allerdings auch gerne mal das gerade Erarbeitete in diverse Eiskreationen aus dem BoFrost-Sortiment.

In späteren Jahren konnte ich mir zudem noch ein paar Mark als Reinigungshilfe dazu verdienen. Meine Tante nahm mich ab und an als Aushilfe in die Gefügelzerlegerei im Nachbarort mit, wo wir in den Abendstunden die Umkleiden und Büroräume säuberten. Sicher bin ich mir nicht mehr, glaube aber irgendwann freiwillig auf das elterliche Taschengeld verzichtet zu haben, weil meine Freizeitjobs ausreichend Geld einbrachten.

Vielleicht hat der stete Geldstrom in meinen Jugendjahren auch zu meinem unbekümmerten Verhältnis zu Geld geführt. Ich hatte immer ausreichend Geld, um mir die Dinge zu kaufen, die mir wichtig waren. Das waren in erster Linie die Hobbies Computerei, Angeln und Aquaristik. Gemeinsamkeiten, die ich mit anderen in meinem Freundeskreis teilte. Dabei gab es nie den Zwang die Anderen zu übertrumpfen, vielmehr ging es um Teilhabe, also gemeinsamer Freizeitgestaltung und Interessen, über die wir uns im Freundeskreis austauschen und fachsimpeln konnten. Prestigeobjekte waren da fehl am Platz. Nicht, dass wir bewusst darauf verzichtet hätten, aber Prestige oder Geltungssucht gab es schlichtweg nicht zwischen uns. Auch nicht hinsichtlich irgendwelcher Markenkleidung. Zumindest kann ich mich nicht erinnern Geld für Markenkleidung ausgegeben zu haben. Da gab es deutlich interessantere Möglichkeiten das eigene Geld auszugeben.

Und obwohl ich damals finanziell schon auf eigenen Beinen stand, habe ich nie angefangen zu sparen. Höchstens für kurzfristige Kaufvorhaben, also Anschaffungen, die innerhalb weniger Wochen oder Monate angespart waren. Das Sparen im Hinblick auf größere Anschaffungen, wie z.B. das erste Auto war für mich nie reizvoll. Im Endeffekt lag die Höhe des einströmenden Geldes mehr oder weniger gleichauf mit den Ausgaben.

Stefanie Nun ja, wann fängt die Jugend an? Wann hört die Kindheit auf? Carsten hat jetzt bei seinem zehnten Lebensjahr angefangen. Ich bin mir nicht ganz sicher. Wie gesagt, das ist so ein fließender Übergang. Mein Verhältnis zu Konsum wurde jedenfalls mit den Jahren immer ausgeprägter. Es war normal, shoppen zu gehen und ständig neue Kleidung zu kaufen. Meine Mutter fuhr mit mir dazu nach Münster in eine große Stadt. Das war dann mein Tagesausflug mit Essengehen und Tüten voller Dinge, die ich eigentlich gar nicht brauchte. Später fuhr ich dann mit dem Bus nach Münster. Das dauerte aber fast doppelt so lange wie mit dem Auto und war ziemlich teuer. Bis dahin gab es auch in unserer kleinen Stadt genügend Geschäfte, in denen ich einkaufen konnte. Ich habe mir nie gebrauchte Sachen gekauft. Ich glaube, ich war auch nie in Second Hand Läden. Eine Zeit lang habe ich versucht, mir Kleidung selbst zu nähen, aber das hat nicht so richtig funktioniert.

Ich hatte immer ausreichend Taschengeld. Ich erinnere mich aber nicht mehr daran, wie viel es war. Irgendwann bekam ich es pro Monat und nicht mehr pro Woche. Und gleichzeitig legte ich aber auch einen Teil meines Taschengeldes an, weil ich auf das Nachbargrundstück sparen wollte, um darauf meinen Traum von einem Pferd wahr werden zu lassen. Das hat leider nie geklappt. Rückblickend sehe ich, dass es ein Trick meines Vaters war, um mich von diesem Wunsch abzubringen, weil ich mich ihm immer an den Ohren gelegen habe, dass er dieses Grundstück kaufen soll, damit ich endlich Platz für ein eigenes Pferd habe. Und er hat sich wahrscheinlich gedacht: Lass die mal sparen, die kriegt das eh nicht zusammen. Und ja, so war es dann eben auch, weil das nämlich auch zum Baugrundstück wurde. Dann wurde es natürlich immer teurer, ist ja klar. Aber ich habe gespart. Ich habe mein Geld angelegt. Das heißt, ich habe es nicht so wie Carsten gemacht, dass das Geld, was reinkam, sofort wieder rausging. Und trotzdem habe ich als Schülerin nie gejobbt.

Zweimal habe ich es ausprobiert, einmal als Nachhilfelehrerin. Da hat mein Lateinlehrer irgendwie die kuriose Idee gehabt, ich könnte vielleicht Nachhilfe geben. Da bin ich aber grandios gescheitert. Und einmal als Hilfe beim Voltigieren im Reitstall, was aber auch nicht so meins war. Irgendwie hat das auch nicht geklappt und gebraucht habe ich das Geld eben nie. Ich hatte irgendwie immer genug. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, woher das ganze Geld kam, was ich hatte. Ich weiß noch, dass ich mein Playmobil später über Ebay versteigert hat und da war ich noch nicht volljährig. Da musste ich damals meinen ersten Freund noch darum bitten, dass er für mich einen Account anlegt, damit ich dann das auch versteigern kann. Damit habe ich mir dann was dazu verdient. Aber wirklich gearbeitet habe ich die ganze Zeit nie, außer vielleicht mal im Garten ausgeholfen und hab dafür so ein bisschen Geld von meinem Vater bekommen. Aber das war ja quasi keine „richtige Arbeit“.

Wenn bei uns im Haushalt etwas kaputt ging, reparierten wir es meist nicht. Wir kauften es neu und immer wieder wurden auch Dinge ersetzt, die noch gar nicht kaputt waren, einfach weil sie alt waren oder nicht mehr gefielen. Mit 13 Jahren schickten meine Eltern mich in den Osterferien zu meiner ersten Sprachreise nach England. Es folgten noch zwei weitere mit 14 und 15 Jahren und dann durfte ich mit 16 Jahren für vier Wochen nach Amerika. Ursprünglich wollte ich ein ganzes Schuljahr dort verbringen, doch das war zu teuer. Ein halbes Jahr war immer noch zu teuer und dann blieben vier Wochen, die immer noch viel kosteten, aber für meine Eltern noch bezahlbar waren. Parallel fuhr ich im Sommer mit 13 und 14 noch zum Ponyhof. Ab 15 hörte das dann auf. Ab dann waren da keine Kinder mehr erlaubt, sozusagen. Wenn ich dann noch mal zum Ponyhof gewollt hätte, dann hätte ich da als Aushilfskraft hinfahren müssen.

Mit 15 lernte ich auf der Sprachreise meinen ersten Freund kennen, der allerdings ungefähr 350 Kilometer von mir entfernt wohnte, weshalb wir auch erst anderthalb Jahre später ein Paar wurden. Vorher hatten wir gedacht, wir wohnen zu weit auseinander. Es geht einfach nicht, eine Fernbeziehung. Und dann sind wir uns so nahe gekommen, dass wir gedacht haben: doch, doch, wir wollen das probieren. Daraufhin investierte ich mein gesamtes Taschengeld in Zugtickets, um meinen Freund möglichst oft sehen zu können und fieberte dem Moment entgegen, wo ich endlich einen Führerschein und ein Auto besitzen würde. Denn für die Strecke brauchte ich mit dem Zug locker sechs Stunden und es war nie sicher, ob ich alle Anschlüsse bekommen würde. Und mit dem Auto brauchte ich höchstens die Hälfte, also drei Stunden.

Als ich mit 18 meinen Führerschein machte, den meine Eltern bezahlten, konnte ich meine Eltern überzeugen, dass ich auch ein Auto brauchte. Und über die Leasingmöglichkeiten meines Vaters bekam ich dann auch bald einen Citroen C2, einen kleinen Flitzer, für den ich monatliche Raten bezahlte, das aber tatsächlich erst, als ich 19 war. In der Zwischenzeit, also in diesem einen Jahr, durfte ich die Autos meiner Eltern nutzen, also vor allem das Auto von meinem Vater. Und das wurde mir dann eben auch geliehen, wenn ich meinen Freund besuchen wollte. Ich habe damals extra noch einen Anhänger Führerschein gemacht. Ich war schon in diesem Alter, nicht so wie bei Carsten, wo es noch diese Führerscheinklassen mit 1 2 3 und so gab, sondern bei mir war es schon B und BE. Ich habe extra den Anhänger Führerschein gemacht, um dann meinen Traum von einem Pferd wahr werden lassen zu können. Also ein Auto mit einem Anhänger fahren zu können, in dem dann letztlich ein Pferd hinten drin stand. Und durch die zwei Jahre Erfahrung mit der Bahn war mir das Bahnfahren so verhasst, dass ich, sobald ich den Führerschein hatte, alle Strecken ausschließlich mit dem Auto fuhr.

Zusammenfassend würde ich sagen, ich habe in so einer Art finanziellen Sorglosigkeit gelebt. Mir war das schon bewusst, dass Sparen einen Sinn hat und ich habe das auch gemacht, weil ich eben dieses Ziel hatte, dieses Grundstück zu kaufen, habe dann aber auch in meiner Jugend schon wieder das aufgegeben, weil ich halt größere Ausgaben hatte mit den Zugtickets und so. Aber ich muss schon sagen, dass ich einfach im Vergleich zu Carsten definitiv sorgloser aufgewachsen bin. Wobei ich halt die ganze Zeit über in einer finanziellen Abhängigkeit von meinen Eltern mich befand, während Carsten mit seinen Aushilfsjobs und Schülerjobs schon auf eigenen Beinen stand.

Carsten Das war's für heute. Die nächste Folge erscheint am kommenden Montag.

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