Wir Konsumkinder Podcast: Staffel 1 | Folge 3: Unsere frühen Erwachsenenjahre

Damit Du einen Eindruck bekommst, in welche Verhältnisse Carsten und ich hineingeboren wurden, wie wir aufgewachsen sind und unsere Zeit verbrachten, bis Carsten und ich uns kennenlernten, erzählen wir Dir in dieser, der kommenden und den vorangegangenen zwei Folgen die Vorgeschichte zu unserer gemeinsamen Geschichte.

In dieser Folge erzählen wir Dir von unseren frühen Erwachsenenjahre. Natürlich immer mit dem Fokus auf Finanzen, Geld und Konsum.

Vollständiges Transkript der Folge

Carsten Hey, hier sind Carsten

Stefanie und Stefanie.

Carsten Und wir erzählen dir in diesem Podcast unsere Geschichte,

Stefanie wie wir von unmündigen Konsumkindern zu mündigen Bürgerinnen wurden.

Carsten Das ist Staffel eins, Folge drei unsere frühen Erwachsenenjahre.

Schon als Schüler erwarb ich mir durch Ferien- und Freizeitjobs eine recht annehmliche finanzielle Freiheit, so dass ich mir eigentlich immer das kaufen konnte, was ich haben wollte. Mit Beginn meiner Berufsausbildung wuchs dann meine finanzielle Freiheit noch einmal erheblich.

Ich war 18 Jahre, wohnte kostenfrei noch im Elternhaus und brauchte kein eigenes Auto. Mein Ausbildungsbetrieb lag knapp 1,5 km entfernt und war in 5 min per Rad erreicht. Gäbe es ein finanzielles Schlaraffenland, meine damalige Situation käme dem schon sehr nahe. Einige Jahre später, hatte ich das finanzielle Schlaraffenland dann aber wirklich erreicht. Doch dazu später. Mein Ausbildungslohn stand mir vollständig zur eigenen Verfügung, da ich keinerlei laufende Kosten hatte. Da ich auch das Auto meiner Eltern mitnutzen konnte, blieb mir die Investition in einen eigenen fahrbaren Untersatz erspart. Ich nahme diese Freizügigkeit dankend an, beteiligte mich dann aber irgendwann an den Spritkosten. Wahrscheinlich hatte ich eh den größten Anteil am Benzinverbrauch.

Mein monatlicher finanzieller Spielraum war so groß, dass ich kein Problem damit hatte einen ganzen Monatslohn in eine Hifi-Anlage zu investieren, die ich meinen Eltern zu Weihnachten schenkte. Das war meine Art zumindest etwas zurück zu geben. Wie ich es trotzdem schaffte, so viel Geld in der Hand zu haben und letztendlich doch keinerlei Rücklagen zu bilden, ist mir aus heutiger Sicht ein echtes Rätsel. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl mein Geld zu verschwenden oder gar über meine Verhältnisse zu leben. Auch hatte ich nie das Gefühl mich mit irgendwelchem Tinneff einzudecken. Trotzdem blieb am Ende nichts vom Geld übrig. Einzige Erklärung: Computerausrüstung und Freizeitvergnügen wie z.B. Kinobesuche oder Musik-CDs dienten als Fass ohne Boden und schluckten begierig alle einströmenden Märker.

Nach der Ausbildung ging es dann zur Bundeswehr. Zumindest zur 4-wöchigen Grundausbildung. Mangels akzeptabler Perspektive wechselte ich direkt nach der Grundausbildung zum Zivildienst. Auch jetzt Jahrzehnte später, die beste Entscheidung, die ich damals treffen konnte. Zumindest hat mir die damalige Tätigkeit inhaltlich viel bedeutet. Finanziell war das im Vergleich zu meiner Ausbildungssituation ein gehöriger Einschnitt, lag mein Zivi-Gehalt doch bei knapp der Hälfte meiner vorigen Ausbildungsvergütung. Aber da sich meine Wohn- und Lebenssituation nicht geändert hatte und den Einnahmen weiterhin Lebenshaltungskosten in Höhe von 0 DM gegenüberstanden, wäre es Jammern auf hohem Niveau, mich über das magere Einkommen zu echauvieren. Glücklicherweise erhielt ich zum Ende der Zivildienstzeit im Rahmen eines Nebenerwerbs die Chance bereits für meinen zukünftigen Arbeitgeber tätig zu werden. Und dieser eröffnete mir dann tatsächlich den Weg ins finanzielle Schlaraffenland.

Nahtlos nach dem Zivildienst durfte ich dann die Systemadministration in einem Unternehmen mit Sitz im Ort meines Elternhauses übernehmen. Nicht nur, dass ich weiterhin bei meinen Eltern wohnen blieb und den Arbeitsweg mit Rad zurück legte, nein, am Ende des Monats jedesmal endlich mal ein richtig fetter Batzen Geld auf meinem Konto ein. Das vier bis fünf-fache dessen, was ich zuvor als Zivi in der Tasche hatte. Im Nachgang muss ich allerdings sagen: das finanzielle Schlaraffenland ist ein Moloch! Es frisst das Geld nur so auf. Muss es zumindest getan haben. Das ist die einzige logische Erklärung, da ich mir nach wie vor nicht erklären kann, wo all das viele Geld hin ist. Dass ich einen Kellerraum im Elternhaus zum Wohn-/Schlaf-/Arbeitszimmer eingerichtet habe, nach wie vor in regelmäßigen, aber nicht unüblichen Abständen in neues Computerequipment investiert habe und eine Liebe für Single Malt Whiskys (natürlich 18 Jahre und älter) fröhnte... Nun ja, zugegeben, dass kostet alles irgendwie Geld. Aber sooo viel???

Es war wie damals im Jugendalter. Die Einnahmen entsprachen in etwa den Ausgaben. Oder sollte ich es anders herum sagen: Ausgegeben habe ich soviel, wie ich eingenommen hatte! Zumindest brachte ich es auch in dieser Zeit zu keinerlei Rücklagen.

Irgendwann kam dann doch der Wunsch nach einem eigenen Auto. Nicht, dass ich es benötigt hätte. Nach wie vor konnte ich mit Fahrrad zur Arbeit fahren. Nach wie vor stand mir das Auto meiner Eltern zur Verfügung, sofern ich denn doch mal längere Strecken fahren wollte. Ich denke, es war einfach der Situation geschuldet, dass ich wirklich gutes Geld verdiente und meinte mir ein Auto leisten zu können. Zumindest hinsichtlich der monatlich auf dem Konto eingehende Summen. Nach wie vor  stand ich ohne einen Pfenning Sparguten da. Statt eines günstigen alten Gebrauchten, musste es unbedingt ein zwei Jahre alter Audi A3 1,8 Turbo sein. So ein Flitzer mit 150 PS, der auf der Autobahn auch mit 3 Personen noch locker 230 km/h auf die Strecke brachte. Und entsprechend Sprit frass. Dank Ratenkauf war schnell war die monatlich noch akzeptable Rate gefunden; niedrig genug, um nicht zu viel meines finanzielle Spielraums aufzufressen, aber mit einer Laufzeit, die lang genug war, um den Audi letztendlich zu überleben.

Der Audi war meine erste größere Wertanschaffung. Gehörte aber über Jahre eigentlich der Bank. Mit meinem einzigen Vorteil, dass der Fahrspaß auf meiner Seite lag. Im Nachgang betrachtet war der Kauf nicht nur törricht, sondern ein ziemlich teures Vergnügen. Zumal ich das Auto nicht zwingend gebraucht hatte.

Das Alles spielte sich bis zu meinem zarten Alter von 23 Jahren ab. Dann traf ich meine damalige Freundin. Und zog bei ihr ein. Ab dem Zeitpunkt kamen neben den laufenden Kosten für das Auto, noch die halben Mietkosten oben drauf. Wir hatten zwar kein gemeinsames Konto, teilten uns aber die Ausgaben für Nahrungs- und Haushaltsmittel. Wir lebten nicht in Saus und Braus, verstanden es aber trotzdem das monatlich frei zur Verfügung stehende Geld für guten Rotwein und sehr viel Literatur auszugeben. Bibliophil wäre ein passender Begriff für unsere Vorliebe für Bücher gewesen. Jeff Bezos hat sich damals sicherlich eine goldene Nase an uns verdient.

Meine berufliche Situation änderte sich ungefähr zum Zeitpunkt der Dotcom-Blase. Mitte 2001 kündigte ich aus Frustration meinen Job, der mir damals die größte finanzielle Freiheit erlaubte und machte mich als Internetprogrammierer selbstständig. Mehr als ein Jahr finanzierte ich mich durch den Gründungszuschuss. Und durch einen Bankkredit. Wer eine Firma gründet, muss erst mal investieren. So zumindest mein damaliger Glaube. Und wer kein Geld auf dem Konto hat, holt sich Geld von der Bank. Ein Privatkredit musste her. Bei dieser Gelegenheit wurde gleich noch eine Umschuldung des noch laufenden PKW-Kredits vorgenommen. Am Ende stand eine schöne 5stellige Kredit-Summe. Ein maßgeschneideter riesiger Schreibtisch, ein schön leistungsfähiger neuer PC mit mondänem 22" (Röhren!!!) Monitor, sowie ein neues Notebook als natürlich zukünftig absolut notwendiger Präsentationsrechner für etwaige auf mich wartende Kundengespräche waren die ersten Investitionen. Das restliche Geld stockte den Gründungszuschuss auf.

Aus heutiger Sicht war ich jedoch nicht reif für eine Selbstständigkeit. Zu unerfahren verlebte ich die zwei folgenden Jahre. Hin und wieder mal ein schöner Auftrag für eine Internetseite, ein Shopsystem oder ein Abrechnunssystem für eine Schülernachhilfe; aber nichts, was meine Existenz langfristig hätte absichern können. Eine intensivere und später im Rahmen eines befristeten Anstellungsverhältnisses abgesicherte Zusammenarbeit mit einer kleinen Internetagentur brachte zwar nach etwas mehr als einem Jahr eine finanziell planbare Einnahmenbasis, doch letztendlich entschied ich mich nach insgesamt 2 Jahren wieder für eine Festanstellung.

Hatte ich während meiner Selbstständigkeit noch von meinem Audi profitiert, wurde das Fahrzeug spätestens mit Beginn meiner neuen Festanstellung obsolet. Der Job war im Nachbarort, knapp 6 km von unserer damaligen Wohnung entfernt. Trotz Auto fuhr ich die Strecke per Rad. Immer. Bei jedem Wetter. Das Auto wurde noch mehr als in der Vergangenheit ein Spaßmobil; mein Fahrrad zum Hauptverkehrsmittel.

Was mir nach meiner Selbstständigkeit blieb war ein technisch nicht mehr ganz so aktueller Computer, sowie der größte Teil des Privatkredits. In dessen Summe immer noch ein Teil der PKW-Anschaffungskosten steckten. Dieser Teil blieb mir dann auch, als ich keine zwei Jahre später einen Autounfall mit wirtschaftlichem Totalschaden erlebte. Ade Audi. Zum später aufgenommenen berufsbegleitenden Studium in Osnabrück fuhr ich dann mit der Regionalbahn, bzw. lieh mir ab und an den VW Golf meiner damaligen Freundin.

Danach ging mein Leben seinen gewohnten Gang. Neben Mietkosten, Nahrungs- und Haushaltsmitteln, wurde ein unschöner, aber leider beträchtlicher Teil meines Einkommens von der Abzahlung meines Kredits aufgefressen. Ein Kredit, der letztendlich keinen Gegenwert mehr hatte; zumindest keinen Wertgegenstand. Ich zahlte eigentlich für meine Vergangenheit. Nicht mehr für etwas, von dem ich in der Zukunft noch etwas hatte.

Ich schloss mein berufsbegleitendes Studium ab und erlebte zum Ende der Studienzeit meinen ersten Karriere- und damit einhergehenden Gehaltssprung. Aber auch privat wurde alles anders. Ich trennte mich von meiner damaligen Freundin und zog in eine eigene Wohnung. Da ich damals direkt bei meiner damaligen Freundin eingezogen war, war nie der Bedarf nach einer eigenen Haushaltsausstattung entstanden. Ich setzte mich in dieser Hinsicht durch den Einzug bei ihr ja quasi ins gemachte Nest. Doch dieses Nest war jetzt in meiner eigenen Wohnung völlig leer. Irgendwie musste die Wohnung gefüllt werden. Bett, Tisch, Geschirr, Waschmaschine, Handtücher, was man alles so zum Leben braucht. Und zwar jetzt. Sofort. Und das, wo mein Konto nach wie vor kein fettes Plus auswies. Irgendwie habe ich es dann doch geschafft. Die Wohnung war mit dem Notwendigsten ausgestattet. Wirklich wohnlich war sie allerdings auch bis zu meinem Auszug nicht. Dafür erlebte ich mehr als einmal die beklemmende Lage eines ausgeschöpften Dispos. Leider zu Zeiten, wo der Kühlschrank leer war. Glücklicherweise halfen mir meine Eltern immer mal wieder aus. Ein wirklich ungutes Gefühl. Zumal mit dem vorherigen Karrieresprung 1.000 € brutto mehr auf der Gehaltsabrechnung standen.

Stefanie Mit 19 Jahren zog ich noch während des Abiturs zu meinem Freund nach Darmstadt, wo er damals studierte, in unsere erste gemeinsame Wohnung. Ich brachte viele ausrangierte Möbel meiner Eltern und natürlich meine eigenen Sachen mit. Aber einiges kauften wir auch neu. Die meisten meiner Bücher ließ ich bei meinen Eltern und ich lagerte auch sonst noch einiges aus meiner Kindheit und Jugend bei ihnen ein. Außerdem brachte ich noch mein Auto mit, das wir, mein Freund und ich uns auch finanziell teilten. Weil ich für meinen Kommunikationsdesign Studium eine Mappe erstellen musste, nahm ich mir erst mal ein Jahr Zeit zwischen Schule und Studium und suchte mir einen Job. Ich hatte noch gar keine Joberfahrung und so landete ich als Aushilfe in einer Bäckerei in einem Walmart. Nach einigen Monaten wechselte ich zu McDonalds, weil das Gehalt dort etwas höher war und es die Möglichkeit der Sonderzulage bei Nachtschichten und an Feiertagen gab. Das war nicht viel, aber immerhin. Nachts träumte ich von riesigen Burgern. Tagsüber arbeitete ich dort an der Kasse.

Rückblickend haben mir die beiden Jobs viel über das Leben beigebracht, hatte ich doch zuvor sehr in meiner gehobenen Mittelstandsblase geschwebt und keine Ahnung gehabt, wie andere Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten bzw. ihre Lebensrealität aussah. So lernte ich dort einen Mann aus dem Iran oder Irak kennen, der eigentlich Arzt war, aber bei McDonalds Burgerfleisch wendete, weil seine Ausbildung bei uns nicht anerkannt wurde. Diese Ungerechtigkeit hat mich nachhaltig beeindruckt.

Meine Eltern zahlten mir eine Art Unterhalt schon ab dem Tag, an dem ich von zu Hause auszog, so dass ich nur noch etwas dazuverdienen musste. Den Unterhalt zahlten sie, bis ich mein Studium mit 24 abgeschlossen und eine erste Festanstellung gefunden hatte. Mit 20 fand ich einen Studienplatz in Stuttgart und zog dorthin um. Zunächst in eine kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung, da ich dachte, ich bräuchte unbedingt so viel Platz und dann, weil eine Kommilitonin mir sagte, ich müsse unbedingt in einer WG wohnen, gemeinsam mit einem anderen Kommilitonen in eine WG. Bis dahin hatte ich mich schon von meinem Freund getrennt. Wir hatten uns auseinandergelebt und ich ging völlig in meinem Studentinnenleben auf. Für die neue Wohnung in Stuttgart kaufte ich mir einige Möbel neu und lieh mir dazu Geld von meinem Freund, das ich ihm bald darauf auch wieder zurückzahlte. Ich hatte mir in Stuttgart einen neuen Aushilfsjob bei O2 als Verkäuferin gesucht und verdiente nicht schlecht.

Finanziell ging es mir sehr gut. Ich legte jeden Monat etwas zurück und hatte trotzdem ausreichend Geld für Spontankäufe. Mein Auto stand die meiste Zeit am Straßenrand, da ich es in der Großstadt nicht brauchte, aber ich kam nie auf den Gedanken, es zurückzugeben, zumal es auch ein Leasingwagen war. Mit meinen Mitbewohnern in der WG hatte ich nicht viel Glück. Der erste zahlte seinen Mietanteil eher unzuverlässig und wenn ich ihn darauf hinwies, dass er seinen Mietanteil doch bitte zahlen sollte, erzählt er mir, ich sei wie der Böse von Robin Hood und würde das Geld von den Armen nehmen. Und er verschwand dann auch recht kurzfristig, als ich gerade während meines Praxissemesters wieder bei meinen Eltern gewohnt habe. Der zweite, dem ich übers Internet das Zimmer vermittelte, blieb auch nur für zwei Monate. Wir kamen überhaupt nicht miteinander klar und der dritte war der totale Griff ins Klo. Er wurde schon vom Finanzamt verfolgt und mir war das nicht klar, was diese vielen, gelben Briefe bedeuteten. Und ja, der hat mich dann auch in so einer Nacht und Nebelaktion mit dem Zimmerschlüssel bzw. dem Wohnungsschlüssel verlassen und ich habe ihn nie wiedergesehen. Und die Miete hat er natürlich auch nicht gezahlt.

Daraufhin habe ich die Wohnung gekündigt und von meinem Ersparten die komplette Miete bezahlt, um dann für den Rest des Semesters bzw. den Rest meines Studiums bei einer anderen Kommilitonin unterzuschlüpfen. Dort habe ich dann auch gemerkt, dass das mit dem WG-Leben einfach nichts für mich ist. Das hat unsere Freundschaft dann nämlich tatsächlich ins Wanken gebracht und ich habe dann, während ich meine Diplomarbeit geschrieben habe, in dem Haus von meiner Oma gewohnt, die kurz zuvor gestorben war, weswegen das Haus für einen Zwischenzeit leer stand, bis entschieden wurde, wie es damit weitergeht. Und ich konnte dieses halbe Jahr, was ich da noch brauchte, um meine Diplomarbeit zu schreiben, dann tatsächlich nutzen und den Luxus dieses kompletten Hauses genießen und dort vor Ort dann einfach das Haus hüten und meine Diplomarbeit schreiben.

Nach meinem Auszug von zu Hause, also als ich mit 19 Jahren zu Hause ausgezogen war, hatte ich mir eine Tabelle erstellt mit meinen Ein- und Ausgaben, die ich bis heute beibehalten und immer wieder erweitert und gepflegt habe, so dass ich eigentlich bis zu diesem Zeitpunkt meine Finanzen ganz gut im Griff hatte. Leider scheint mein Leben so ausgelegt zu sein, dass ich den falschen Menschen oft Gehör schenke, den falschen Menschen vertraue. Und so war eben mein Erspartes zum Ende meines Studiums aufgebraucht. Den Aushilfsjob bei O2 hatte ich zwei Jahre bis zu meinem Praxissemester. In meinem Praxissemester war ich ein halbes Jahr in einer Internetagentur tätig und habe dort mein Handwerk quasi gelernt. Ich habe gelernt, HTML und CSS zu schreiben, Webseiten zu schreiben und dann, als ich dort das Praxissemester beendet hatte, habe ich die Möglichkeit bekommen, als Freelancer weiter für diese Agentur zu arbeiten.

Und die Agentur hat mir auch eine erste Kundin vermittelt, für die ich eine Webseite erstellt habe, so dass ich ab diesem Zeitpunkt, das war dann Anfang 2007, nebenberuflich selbstständig tätig war neben meinem Studium und mir dann so mein Geld verdient habe. Also das Geld zusätzlich zu dem Grundeinkommen, was meine Eltern mir gezahlt haben. Das war eine schöne Zeit, denn das hat mir Spaß gemacht, diese Arbeit. Aber die ganze Zeit über hatte ich mir das schon so gedacht, dass das eben einfach nur ein Pendant zu dem Aushilfsjob bei O2 war. Und bei O2 hatte ich auch zum Ende hin wirklich Albträume. Ähnlich wie bei McDonalds, wo ich dann nur noch von riesigen Burgern geträumt habe, habe ich hier dann bei O2 davon geträumt, dass ich Verkaufsgespräche führen musste, denn dort ging es immer nur um's verkaufen, verkaufen, verkaufen. Und wenn du Verträge machst, dann möglichst noch Zubehör dazu verkaufen. Und das war alles nichts für mich und das hat mich bis in meine Träume verfolgt, sodass ich immer und immer wieder davon geträumt habe. Und die Chance, dann in der Internetagentur dieses Handwerk zu lernen und dann für die Agentur als Freelancer tätig zu sein, war wirklich genial. Also da bin ich auch immer noch dankbar für, sehr, sehr dankbar, dass ich das machen konnte.

Nur war mein Lebensplan irgendwie, dass ich, wenn ich das Studium abgeschlossen habe, mein Diplom habe, dann erstmal in eine Agentur gehe und dort dann angestellt arbeite, vielleicht bis ich 30 bin und dann mache ich mich selbstständig. Dieses nebenberuflich Selbständige war einfach nur, um mir Geld dazu zu verdienen zu dem Studium, aber nicht als Plan, um nach dem Studium direkt weiterzumachen. So habe ich das also auch nicht wirklich stark verfolgt, sondern habe einfach nur die Jobs angenommen, die kamen und das war völlig ausreichend. Rückblickend war meine Studienzeit tatsächlich finanziell betrachtet die entspannteste Zeit, trotz des Griffs ins Klo mit meiner WG-Erfahrung und dass mein ganzes Erspartes da drauf ging. Denn ich habe nicht auf Pump gelebt, sondern ich habe das alles finanziert.

Ich war tatsächlich der Meinung, wenn ich mein Diplom gemacht habe, dann regnet es Geld, dann habe ich es geschafft. Dann habe ich meine Ausbildung vollendet und dann kriege ich einen richtig gut bezahlten Job. Und das war leider überhaupt nicht der Fall. Gar nicht. Also, als ich fertig war mit dem Studium, das war 2008, war ich auf der Suche und habe schon bevor ich meine Diplomprüfung abgelegt habe, nach Jobs gesucht und habe erstmal so nichts gefunden. Ich musste dann feststellen, dass die Realität keine gut bezahlten Jobs für Berufsanfänger·innen bietet, sondern oft verlangt wird, erst mal einige Zeit kostenlos zu arbeiten, um sich dann irgendwie hochzuarbeiten, dass ein Volontariat vergeben wird oder ähnliches. Und dass das alles eben nichts mit meiner Wunschvorstellung zu tun hat.

Mein Vater ist dann wohl so ein bisschen in Panik geraten, weil er dachte, ich liege ihm ewig auf der Tasche und hat mir sehr stark ans Herz gelegt, mir jetzt schnell einen Job zu suchen und möglichst den erstbesten Job zu nehmen. Und es gab ein Jobangebot. Ich habe, während ich meine Diplomarbeit geschrieben habe, noch bei der Internetagentur, für die ich in meinem Praxissemester tätig war, weiter gejobbt und einer der Chefs der Internetagentur hatte einen Kontakt nach Hamburg zu einem Bekannten von ihm. Der wusste, bei ihm in der Firma, wo dieser Bekannte arbeite, werden noch Menschen gesucht. Und der Bekannte war aber nicht glücklich in diesem Job, in dieser Firma. Und wir haben dann immer so darüber gelächelt: „Nein, das ist kein guter Job.“ Und am Ende, als ich aber immer nur Absagen bekommen habe, noch bevor ich, wie gesagt, mein Diplom gemacht hatte, hat dann der Chef dieser Internetagentur, bei der ich gejobbt habe, gesagt: „Ach, nimm doch einfach den Job“. Und weil mein Vater gedrängelt hat und es so schien, als würde es nichts anderes geben, habe ich mich dann für diesen Job entschieden. Obwohl ich wusste, dass der Bekannte gesagt hat: „Das ist nicht schön da.“ Und ich dachte okay, Hauptsache, du hast einen Job.

Und so bin ich dann letztendlich in Hamburg gelandet, weil mir dieser Job vermittelt wurde. Der Bekannte von dem Chef der Internetagentur hat dann ein gutes Wort für mich eingelegt. Ich habe ein Vorstellungsgespräch dort geführt und bin dann genommen worden. Ich habe super schlecht mein Gehalt verhandelt, weil ich keine Ahnung hatte und habe weniger bekommen als männliche Kollegen, die später eingestellt wurden und weniger wussten als ich und alle klassischen Fehler gemacht eigentlich, die du so zu Beginn deines Berufslebens machen kannst.

Und während der Diplomfeier, als wir unsere Diplomarbeiten der Öffentlichkeit vorgestellt haben, habe ich noch ein Jobangebot bekommen und musste dann leider sagen: „Nein, ich habe schon einen Job, ich bin schon vergeben.“ Und das war halt eine Internetagentur im Süden, also in der Nähe von Stuttgart, da, wo ich studiert habe, die mich gerne genommen hätten und wo es auch wirklich interessant gewesen wäre. Aber letztlich musste ich das verneinen. Also das heißt, was ich definitiv gelernt habe, ist, dass dieses Erstbeste nicht wirklich das Beste ist und dass es sich auch lohnt, mal abzuwarten.

Carsten Das war's für heute. Die nächste Folge erscheint am kommenden Montag.

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